Zwischen Strategie, Struktur und Realität der ambulanten Versorgung

Nürnberg, 18. Juli 2025 – Franka Struve-Waasner spricht mit Torsten Lübben, Geschäftsführer der Helmsauer Curamed GmbH, über Erfolgsfaktoren, Stolpersteine und politische Rahmenbedingungen für Medizinische Versorgungszentren (MVZ), die von Krankenhäusern betrieben werden. Die Helmsauer-Gruppe begleitet seit Jahrzehnten die Entwicklung im ambulanten Gesundheitswesen – von Einzelpraxen bis hin zu komplexen MVZ-Strukturen.
MVZ sind längst keine Randerscheinung mehr
Franka Struve-Waasner: Herr Lübben, welche Rolle spielt Ihre Gruppe bei der Entwicklung von MVZ?
Wir begleiten seit vielen Jahren ambulante Leistungserbringer – von der Einzelpraxis bis zum MVZ. Die Helmsauer Curamed gehört zur familiengeführten Helmsauer Gruppe, die in den 1960er-Jahren gegründet wurde. Die drei Säulen der Helmsauer-Gruppe sind Versicherungsmaklerei mit Schwerpunkt Gesundheitswesen, Privatabrechnung und Unternehmensberatung im ambulanten Bereich.
Franka Struve-Waasner: Wer darf ein MVZ gründen?
Torsten Lübben: Krankenhäuser, Kommunen und Ärztinnen bzw. Ärzte als Hauptgesellschafter. Typische Rechtsform ist die GmbH. Die alte Vorgabe, zwei Fachrichtungen zu brauchen, wurde gestrichen – heute genügt eine mit zwei Kassensitzen.
Franka Struve-Waasner: Gibt es weiterhin Standortvorgaben?
Ja. Das Krankenhaus-MVZ kann zwar vom Krankenhausgebäude entfernt sein, aber die integrierte Patientenbehandlung z.B. in einem ambulanten OP-Zentrum des MVZ muss auf dem Gelände des Krankenhauses sein, ansonsten wäre es kein Krankenhauspatient mehr, der im eigenen AOZ (Ambulantes Operationszentrum) operiert wird. Eine integrierte Behandlung im Sinne des Patienten ist dann nicht mehr gegeben – eine Regel, die dringend überprüft gehört.
Marktchancen und Herausforderungen
Franka Struve-Waasner: Investorenbetriebene MVZ werden oft kritisiert.
Teilweise zu Recht: Einerseits kann Knowhow über viele Standorte hinweg ausgetauscht und es können Behandlungsstandards gesetzt werden. Andererseits reicht ein Krankenhaus in Lübeck, um ein MVZ in Düsseldorf oder am Bodensee zu betreiben – faktisch autark. Hier sollten andere Gründungsregelungen, die sich an Qualitätskriterien orientieren, gefunden werden.
Franka Struve-Waasner: Wie schätzen Sie die Marktchancen von Krankenhaus-MVZ ein?
Ursprünglich dienten sie als ‚Ansaugstutzen‘, um Patientenströme ins Krankenhaus zu lenken. Heute müssen sie wirtschaftlich eigenständig funktionieren. Schwieriger Punkt ist der Wechsel des Praxisinhabers: vom selbstständigen zum angestellten Arzt – das erzeugt oft Frust und Leistungsabfall.
Franka Struve-Waasner: Wo liegen trotzdem Chancen?
Im ländlichen Raum können MVZ Versorgung sichern – etwa durch Jobsharing oder Teilzeitärzte. Die Hybrid-DRGs geben neuen Schub, aber das Vergütungssystem ist noch immer auf den einzelnen selbständigen Arzt zugeschnitten.
Erfolgsfaktoren und typische Fehler
Franka Struve-Waasner: Was sind die drei wichtigsten Erfolgsfaktoren?
Erstens: Fachrichtungen sorgfältig auswählen. Zweitens: Hausarztsitz als Anker – entlastet auch die Notaufnahme. Drittens: Schulen, Schulen, Schulen – Ärzte und MFAs müssen ambulante Abläufe und Vergütung verstehen.
Franka Struve-Waasner: Und die häufigsten Fehler?
Zu glauben, eine übernommene Praxis läuft einfach weiter. Ohne Begleitung, Motivation und Schulung geht das schief.
Trägerschaft und kommunale Modelle
Franka Struve-Waasner: Macht die Trägerstruktur einen Unterschied?
Nein. Entscheidend ist Engagement – egal ob kommunal, gemeinnützig oder privat.
Franka Struve-Waasner: Kommunale MVZ erleben ein Comeback?
Ja, gerade im ländlichen Raum. Wenn Kliniken schließen, übernehmen Kommunen Verantwortung. Sie gründen eigene GmbHs oder Genossenschaften, schaffen Anreize für Ärzte und MFAs und sichern so die Versorgung. Wichtig ist, kompetente Geschäftsführer einzusetzen – Aufsichtsräte sollten kontrollieren, nicht mitregieren.
Danke für das Gespräch.