Die Integrierte Leitstelle Nürnberg – Logistik für den Notfall

Nürnberg, 13.03.2025 – Wer in Höchstadt an der Aisch oder in Altdorf bei Nürnberg die 112 oder 19222 (Krankentransport) wählt, dessen Telefonat kommt in der der Nürnberger Integrierten Leitstelle (ILS) in der Nähe der Hafenstraße an. Hier koordinieren rund 130 Mitarbeitende Rettungsdienst, Feuerwehr, Technischen Hilfsdienst und den Katastrophenschutz für ca. 1,2 Mio. Einwohner der Städte Nürnberg, Fürth, Erlangen sowie der Landkreise Nürnberger Land, Fürth und Erlangen-Höchstadt.

Im Interview erläutert der Leiter der ILS Nürnberg, Branddirektor Marc Gistrichovsky, aktuelle Herausforderungen:

Marc Gistrichovsky, Leiter der Integrierten Leitstelle Nürnberg und Vorsitzender des Fachverbands Leitstellen e.V.

Wer trifft die Entscheidung, in welches Krankenhaus ein Patient gebracht wird – der Rettungsdienst vor Ort oder die Leitstelle?

Hier verweise ich auf die Verordnung zur Ausführung des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes §8 AVBAyRDG:
Beförderungsziel
(1)

1 Die ILS hat sich um die Aufnahme des Notfallpatienten in die nächste für die weitere Versorgung geeignete Behandlungseinrichtung zu bemühen und den Transport dorthin vorbehaltlich medizinischer Weisung des Notarztes zu veranlassen.
2 Sie verständigt die Behandlungseinrichtung und gibt ihr die voraussichtliche Ankunftszeit und die vermutliche Art der Verletzung oder Erkrankung an.


(2) 1 Das Ziel von arztbegleiteten Patiententransporten und Krankentransporten bestimmt in dieser Reihenfolge

  1. der Patient,
  2. ein Angehöriger des Patienten,
  3. der behandelnde Arzt,
  4. der Verlegungsarzt oder der Telenotarzt in Absprache mit dem behandelnden Arzt oder
  5. eine weisungsberechtigte Stelle.

Nach welchen Kriterien wird entschieden, ob ein Notarzt oder ein Rettungswagen ausrückt?

Grundsätzlich gilt der bayerische Notarztindikationskatalog als Entscheidungsgrundlage, wann ein Notarzt primär zu entsenden ist. Die Abfrage des Notrufs erfolgt bei der ILS Nürnberg über ein standardisiertes Notrufabfrageprotokoll (SNAP). Die Abfrage mit diesem Protokoll erfüllt in einem hohen Maße einen sicheren Qualitätsstandard.

Welche Informationen werden an das Krankenhaus übermittelt, bevor ein Patient eintrifft?

Die Patienten werden über IVENA (eine webbasierte Anwendung, die in Echtzeit über die aktuellen Behandlungs- und Versorgungsmöglichkeiten der Krankenhäuser informiert) und NIDA (mobile Datenerfassungsgeräte auf den Rettungsmitteln) in den Kliniken angemeldet und vorhandene Informationen übertragen. Zudem gibt es eine Telemetrie, z.B. zur Übertragung eines EKGs durch den Rettungswagen.

Nach welchem Algorithmus werden die möglichen Krankenhäuser gelistet?

Die Kliniken geben nach einem landesweit einheitlichen Schema ihre grundsätzlichen Fachbereiche und die zugehörigen Versorgungsstufen (ambulant, stationär, intensiv) in den Stammdaten sein und sind für die Pflege selbst verantwortlich. Über den vom Rettungsdienst vor Ort an die ILS übermittelte Patientenzuweisungscodes (PZC) werden unseren Bettenmanagern in Zusammenhang mit der Prüfung freier Ressourcen – diese melden die Kliniken ebenfalls eigenständig – die möglichen Zielklinken angeboten. Unter Berücksichtigung logistischer Aspekte und der beim Krankentransport relevanten Regelungen der AVBAyRDG (s.o.) werden die Patienten durch die ILS zugewiesen.

Die Integrierte Leitstelle in Nürnberg. Übrigens: auf dem Bild sind nur wenige Mitarbeiter zu sehen, weil fünf Personen den Dienst aus einem anderen Raum ausüben, außerdem ist um ca. 21 Uhr ein Zeitfenster, in dem i.d. R. nicht so viele Anrufe eintreffen.

Welche Faktoren spielen dabei eine Rolle? (z. B. Spezialisierung der Klinik, Entfernung, Kapazitäten, Versorgungsstufe)

Das haben Sie bereits richtig beschrieben. Wenn Kliniken Ressourcen abgemeldet haben und keine Alternative in vertretbarer Nähe gefunden werden kann, werden Patienten auch über eine sogenannte Akutzuweisung dennoch in diese Kliniken transportiert. Die ILS achtet dabei auf eine gleichmäßige Verteilung der PatientInnen auf die Kliniken.

Welche Schwierigkeiten gibt es aktuell bei der Notfallversorgung in Nürnberg?

Häufig sind Kliniken abgemeldet. Das zieht sich über fast alle Fachbereiche.

Was ändert sich für die ILS im Katastrophenfall/Zivilschutzfall?

Die Integrierten Leitstellen sind auch bei Großschadenslagen, über den Katastrophenfall bis hin zum hoffentlich nie eintretenden Zivilschutzfall eine zentrale Schnittstelle zu Führungsebenen wie Einsatzstäben oder übergeordneten Behörden. Sie übernehmen die Warnung der Bevölkerung über das bundesweite Modulare Warnsystem (MOWAS) oder lösen Sirenenwarnungen aus. Zudem stellen die Integrierten Leitstellen Ressourcen zur Verfügung und sichern weiterhin der Grundschutz der Bevölkerung mit Feuerwehr und Rettungsdienst ab.

Wie finanziert sich die Integrierte Leitstelle?

Die Finanzierung der Integrierten Leitstelle setzt sich aus Investiv- und Betriebskosten zusammen. Die Investivkosten umfassen die Gebäudekosten, die vom Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung getragen werden, sowie die Kosten für die Leitstellentechnik, bei denen der Rettungsdienstanteil vom Freistaat Bayern übernommen wird, während der Feuerwehranteil ebenfalls durch den Zweckverband gedeckt wird. Die Betriebskosten werden für den Rettungsdienstanteil von den Krankenkassen finanziert, während der Feuerwehranteil vom Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung getragen wird.

Vielen Dank für das Gespräch!

Veröffentlicht von Franka Struve-Waasner

Diplom-Kauffrau Franka Struve-Waasner ist zweifache Mutter und arbeitete knapp sechs Jahre als Pressesprecherin des Klinikums Forchheim-Fränkische Schweiz. Nach einer Station als Referentin Kommunikation beim Klinikum Neumarkt ist sie heute freiberuflich für verschiedene Unternehmen, wie das Krankenhausanalyseunternehmen BinDoc GmbH oder die Informationsplattform Health&Care Management in der Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, aktiv. Sie ist in vielfältiger Weise u.a. im Städtepartnerschaftskomitée Forchheim-Le Perreux oder DAV Sektion Forchheim engagiert. Sie ist verantwortlich für den Inhalt auf dieser Seite. Kontakt und Anschrift: franka_struve@web.de; Dreifaltigkeitsweg 1a, 91301 Forchheim

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