Das Wunder von Wertheim – Wie eine Stadt ihr Krankenhaus zurückeroberte

Wertheim, Nov. 2025 – Als 2023 die Rotkreuzklinik Wertheim Insolvenz anmeldete und im Juni 2024 endgültig ihre Türen schloss, stand die nördlichste Stadt Baden-Württembergs vor einem medizinischen Ernstfall. Die nächste vollversorgende Klinik liegt über 40 Minuten entfernt, ein unguter Zustand für Notfälle. Für Oberbürgermeister Markus Herrera Torrez war klar: Wenn die Klinik schließt, entsteht im ländlichen Raum eine gefährliche Versorgungslücke. Die Bemühungen, einen Käufer zu finden, der das Krankenhaus fortführt, waren erfolglos.

„Ich habe gesagt: Wenn es keine Möglichkeit gibt, das Krankenhaus zu retten, dann kaufen wir als Stadt wenigstens das Gebäude“, sagt Herrera Torrez im Gespräch.

Das Gebäude, das erst 2016 für 46 Millionen Euro neu errichtet worden war, modern, groß, gut förderfinanziert und eigentlich ein Musterprojekt, sei zu wertvoll, um leer zu stehen.

Markus Herrera Torrez, Oberbürgermeister von Wertheim, bei der Verleihung des Preises ‚Innovationsort des Jahres 2025‘

Die Stadt griff ein – ein Meilenstein für eine außergewöhnliche Erfolgsgeschichte! Im September 2024 erwarb Wertheim das Gebäude aus der Insolvenzmasse. Danach begann ein Sprint, der bundesweit Aufmerksamkeit erregte: Innerhalb von nur drei Monaten gelang es der Stadt, das komplette Haus an drei Gesundheitspartner zu vermieten.

  • Eine Dialysepraxis, die bereits vor Ort war, blieb im Gebäude.
  • Mediclin eröffnete eine neurologische Rehabilitationsklinik mit rund 90 Betten.
  • Die Westfalen-Klinikgruppe etablierte das Bürgerspital Wertheim – 95 Betten für die Grund- und Regelversorgung sowie eine bariatrische Fachabteilung.

Der Betreiber des Bürgerspitals erklärte sich bereit, zusätzlich eine Notfallversorgung aufzubauen. Damit wurde aus einem insolventen, bereits geschlossenen Krankenhaus binnen Monaten wieder ein voll funktionsfähiger Gesundheitsstandort. Doch ein Problem blieb: Die Notfallversorgung ist defizitär.

„Eine Notaufnahme in einem 100-Betten-Haus kann unter den derzeit geltenden Rahmenbedingungen wirtschaftlich nur schwerlich kostendeckend arbeiten“, erläutert Herrera Torrez.

Die Stadt Wertheim sicherte deshalb einen jährlichen Defizitausgleich von bis zu 2,75 Millionen Euro zu, ein enormer Kraftakt für eine Kommune mit 23.000 Einwohnern.

Was danach geschah, ist Teil des „Wunders von Wertheim“: Unternehmen, Vereine, Bürgerinnen und Bürger mobilisierten gemeinsam Unterstützung für die Notfallversorgung. Der Förderverein des Krankenhauses stellte sich neu auf, sammelte Spenden und warb Mitglieder. Umliegende Gemeinden und der Landkreis sagten ihre finanzielle Unterstützung zu. So kam allein im Jahr 2025 über eine Million Euro an Spenden zusammen. Der Rest wird aus dem städtischen Haushalt getragen.

Veröffentlicht von Franka Struve-Waasner

Diplom-Kauffrau Franka Struve-Waasner ist zweifache Mutter und arbeitete knapp sechs Jahre als Pressesprecherin des Klinikums Forchheim-Fränkische Schweiz. Nach einer Station als Referentin Kommunikation beim Klinikum Neumarkt ist sie heute freiberuflich für verschiedene Unternehmen, wie das Krankenhausanalyseunternehmen BinDoc GmbH oder die Informationsplattform Health&Care Management in der Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, aktiv. Sie ist in vielfältiger Weise u.a. im Städtepartnerschaftskomitée Forchheim-Le Perreux oder DAV Sektion Forchheim engagiert. Sie ist verantwortlich für den Inhalt auf dieser Seite. Kontakt und Anschrift: franka_struve@web.de; Dreifaltigkeitsweg 1a, 91301 Forchheim

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