Betrugsschemata bei Krankenhausabrechnungen erkennen mit Künstlicher Intelligenz

Nürnberg, 28.02.2025 – Abrechnungsbetrug und Manipulationen im Gesundheitssystem sind nicht nur in Deutschland problematisch. Krankenhäuser erhalten von Krankenkassen pauschale Vergütungen für stationäre Behandlungen basierend auf Diagnosis Related Groups (DRGs). Manipulative Praktiken wie das Hochstufen der Schweregrade von Diagnosen (Upcoding) oder die Abrechnung unnötiger Leistungen führen zu erheblichen finanziellen Schäden. Ein modernes Mittel zur Betrugserkennung ist der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI), die automatisch auffällige Abrechnungsmuster identifizieren kann.

Typische Betrugsmuster in Krankenhausabrechnungen

  • Beatmungsstunden > 24 Stunden: Eine häufige Methode zur Erhöhung der Abrechnungssumme besteht darin, Beatmungszeiten künstlich zu verlängern.
  • Zusätzliche Begleitpersonentage: Manche Krankenhäuser rechnen unzulässige Begleitpersonenkosten ab.
  • Nicht erbrachte Leistungen: Operationen oder Behandlungen werden abgerechnet, obwohl sie nicht durchgeführt wurden.
  • Fehlkodierungen: Diagnosen und Prozeduren werden manipuliert, um eine höhere DRG-Vergütung zu erhalten.

Der Medizinische Dienst als Prüfinstanz

Verdachtsfälle werden in Deutschland durch die Krankenkassen an den Medizinischen Dienst (MD) weitergeleitet. Dieser prüft unter anderem:

  • Ob eine stationäre Behandlung medizinisch begründet war.
  • Ob Diagnosen korrekt kodiert wurden.
  • Ob die abgerechneten Leistungen tatsächlich erbracht wurden.
  • Ob die Verweildauer angemessen war.

Allerdings hat sich der Medizinische Dienst zunehmend zu einem Instrument der Krankenkassen entwickelt. Krankenhäuser müssen sich immer häufiger mit Prüfungen auseinandersetzen, selbst wenn bestimmte Diagnosen und Behandlungsnotwendigkeiten über Jahre hinweg bekannt sind. Beispiele hierfür sind:

  • Jede DRG, die über der oberen Grenzverweildauer (OGVD) liegt.
  • Jedes Erreichen der unteren Grenzverweildauer (UGVD).
  • Alle 1-Tagesfälle hinsichtlich stationärer Notwendigkeit.
  • Jede Beatmung – unabhängig von der medizinischen Notwendigkeit.
  • Zweifel an Diagnosen, selbst wenn diese den Krankenkassen bekannt sind (z. B. Morbus Parkinson).

Krankenhäuser stellen zunehmend umfangreiche Dokumentationen bereit, um ihre Abrechnungen zu rechtfertigen. Sozial bedingte Probleme wie das Fehlen eines Reha- oder Heimplatzes oder fehlende Transportmöglichkeiten (z. B. kein Rettungsdienst oder Angehörige) werden nicht als medizinische Gründe anerkannt, obwohl sie zur stationären Verweildauer beitragen. Dies führt dazu, dass Krankenhäuser für Sachverhalte, die sie nicht zu verantworten haben, Strafzahlungen leisten müssen.

Andererseits wurden laut GKV-Spitzenverband wurden 2020/21 etwa 132 Mio. € Schaden durch Fehlverhalten ermittelt (über alle Sektoren). Ein großes Dunkelfeld wird vermutet. Die Bayerische Zentralstelle zur Bekämpfung von
Betrug und Korruption im Gesundheitswesen (ZKG) in Nürnberg weist darauf hin, dass die Schwerpunkte derzeit eher ambulante Leistungen (z.B. Pflegedienste) sind, doch auch im Klinikbereich gelten Luftleistungen (Abrechnung nicht erbrachter Leistungen) und Upcoding als relevante Betrugsformen.


Der GKV-Spitzenverband veröffentlicht Prüfquoten der Krankenkassen nach Krankenhaus-Identifikationsnummern (IK-Nummer), um Transparenz zu schaffen.
Mehr Informationen unter: GKV-Prüfstatistik

KI zur Betrugserkennung in Krankenhausabrechnungen

Eine US-amerikanische Studie von Shekhar (Brandeis University), Leder-Luis (Boston University) und Akoglu (Carnegie Mellon University) aus April 2024 untersuchte, ob maschinelles Lernen bei der Betrugsbekämpfung helfen kann. Die Ergebnisse der vollständigen Überprüfung der Medicare-Krankenhausaufenthaltezeigen eine 8-fache Verbesserung der Betrugserkennung gegenüber zufälliger Auswahl von Krankenhäusern und die Identifikation von Krankenhausmerkmalen, die mit betrügerischem Verhalten einhergehen.


Die entwickelte Methode basiert auf einem unüberwachten Ensemble-Ansatz, der auffällige Muster in den Abrechnungsdaten erkennt. ‚Unüberwacht‘ bedeutet, dass das Modell Auffälligkeiten in Kodierungen oder Kostenstrukturen erkennt, ohne dass es vorher Betrugsfälle explizit gelernt hat. ‚Ensemble‘ meint die Kombination mehrerer verschiedener Algorithmen für eine genauere Analyse. Die Ergebnisse dieser Einzelmodelle werden dann zu einer Gesamtbewertung kombiniert.

Ein vergleichbarer Ansatz wäre auch in Deutschland anwendbar.

KI-Modelle zur Anomalieerkennung

Die KI-gestützte Betrugserkennung aus der oben genannten Studie konzentriert kann sich auf drei Kernbereiche:

  1. ICD-Code-Anomalien: Häufigkeiten seltener Kodierungen können auf Upcoding hinweisen.
  2. DRG-Verteilungsanalyse: Vergleich mit Peergroups deckt Abweichungen auf.
  3. Kostenanomalien: Abweichungen zwischen tatsächlichen und erwarteten Kosten pro Fall.

Diese Modelle würden sich nahtlos in den deutschen Krankenhausprüfprozess integrieren und könnten Ressourcen im Medizinischen Dienst und im Krankenhaus freisetzen. Die Algorithmen sind nachvollziehbar und objektiv. Allerdings kann dieses Modell nicht eins-zu-eins in Deutschland angewandt werden, denn die Abrechnungsdaten sind dezentral gespeichert. Eine zentrale Datenplattform könnte helfen. Außerdem müssen die die KI-Modelle den strikten DSGVO-Vorgaben genügen.
Deutsche DRG-Regeln und Abrechnungspraxis erfordern Feinjustierungen.

Aktuelle Initiativen

In Deutschland laufen bereits Pilotprojekte mit KI zur Abrechnungsprüfung. Die Pharmazeutische Zeitung berichtete 2024 von einem geplanten kassenübergreifenden KI-System unter Federführung der Bundesdruckerei, bei dem große Kassen (AOK, TK, Barmer etc.) bereits eingebunden sind. Dieses System soll mit pseudonymisierten Leistungsdaten Anomalien erkennen und den Kassen als Prüfhinweise zurückmelden. Ein weiteres Beispiel ist ein Forschungsprojekt der FAU Erlangen-Nürnberg in Kooperation mit der AOK, das einen Simulator für Krankenhausabrechnungen entwickelt hat, um KI-Modelle für Betrugserkennung zu trainieren.
In ersten Tests auf realen AOK-Daten konnten dort mit einem Random-Forest-Modell bis zu 12% der Fälle als potenziell auffällig identifiziert werden – ein Hinweis, dass relevante Betrugsmuster existieren und erfassbar sind. Diese Ansätze zeigen, dass Machine Learning zur Betrugserkennung im deutschen Gesundheitswesen bereits ernsthaft verfolgt wird.

Fazit

Die Implementierung von KI zur Erkennung von Krankenhausabrechnungsbetrug ist in Deutschland technisch machbar und würde die Effizienz der Abrechnungsprüfung erheblich steigern. Die Studienergebnisse aus den USA zeigen, dass solche Modelle die Detektion Krankenhäuser mit Betrugsabsichen deutlich verbessern können.

Veröffentlicht von Franka Struve-Waasner

Diplom-Kauffrau Franka Struve-Waasner ist zweifache Mutter und arbeitete knapp sechs Jahre als Pressesprecherin des Klinikums Forchheim-Fränkische Schweiz. Nach einer Station als Referentin Kommunikation beim Klinikum Neumarkt ist sie heute freiberuflich für verschiedene Unternehmen, wie das Krankenhausanalyseunternehmen BinDoc GmbH oder die Informationsplattform Health&Care Management in der Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, aktiv. Sie ist in vielfältiger Weise u.a. im Städtepartnerschaftskomitée Forchheim-Le Perreux oder DAV Sektion Forchheim engagiert. Sie ist verantwortlich für den Inhalt auf dieser Seite. Kontakt und Anschrift: franka_struve@web.de; Dreifaltigkeitsweg 1a, 91301 Forchheim

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