Köln, 17. April 2024 – Unabhängig davon, in welcher Form die geplante Krankenhausreform realisiert wird, sind einige sinnvolle Elemente wie die Einteilung in Leistungsgruppen, Mindestmengenanforderungen, Strukturvoraussetzungen und Ambulantisierung geeignet eine breite Zustimmung zu erhalten.

Wie können sich kleine und mittlere Krankenhäuser strategisch auf diese Änderungen, die durch Geld- und Fachkräftemangel verstärkt werden, einstellen?
Dieser Frage gingen Experten auf dem Gesundheitskongress des Westens nach: René Thiemann, Geschäftsführer der Hüttenhospital gGmbH und Geschäftsführer des städt. Krankenhaus Maria-Hilf Brilon gGmbH, Sassan Pur, Geschäftsführer der Hessenklinik Stadtkrankenhaus Korbach gGmbH, Thomas Bublitz, Hauptgeschäftsführer Bundesverband Deutscher Privatkliniken e.V., Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Eckhard Nagel, Geschäftsführender Direktor Institut für Medizinmanagement und Gesundheitswissenschaften Universität Bayreuth, moderiert von Prof. Dr. Rolf G.Heinze, Seniorprofessor der Fakultät für Sozialwissenschaften der Ruhr-Universität Bochum.
Synergie und Innovation: Wie zwei unterschiedliche Krankenhäuser ihre Marktposition durch Kooperation stärken
René Thiemann, Geschäftsführer der Hüttenhospital gGmbH in Dortmund mit einem 174-Bettenhaus und drei Fachabteilungen, und Geschäftsführer des städtischen Krankenhaus Maria-Hilf Brilon gGmbH mit 200 Betten, 11 Fachabteilungen, 8.430 vollstationäre Fällen und 8.917 ambulanten Fällen, erläuterte in einem Impulsvortrag, wie die die beiden Häuser voneinander profitieren können und ihre Marktposition stärken können.
Er vergleicht die Merkmale der kleinen Krankenhäuser im urbanen Raum, die erfolgreich im Wettbewerb bestehen wollen und sich spezialisieren und fokussieren müssen, mit den kleinen Grund- und Regelversorger im ländlichen Raum, die vor noch größeren Herausforderungen stehen als kleine Häuser im urbanen Raum.
Thiemann erläutert die Bedeutung der gemeinsamen Nutzung von Personalressourcen und der Entwicklung einer einheitlichen Arbeitgebermarke zur Steigerung der Qualität und Sicherheit in der Versorgung. Beide Krankenhäuser bemühen sich um die Integration ambulanter Pflegedienste und eine verstärkte Vernetzung mit anderen Gesundheitssektoren. Der Geschäftsführer betonte auch die Rolle der lokalen Gesundheitsversorgung für die wirtschaftliche Entwicklung und die Attraktivität für Fachkräfte. Die Krankenhausreform führe zu einem Veränderungsbedarf und einer Neuausrichtung der beiden so unterschiedlichen Häuser.
Wenn zwei völlig unterschiedliche Krankenhäuser Zusammenarbeit Personalkompetenz zu bündeln, sieht das so aus:
- Bündelung Human Resources und Personalkompetenz
- Qualitätsprozesse übertragen
- Finanzkraft stabilisieren
- Regionale Versorgung mit sektoralen Kooperationen sichern, Nutzung bestehender Kooperationen,
- Brückenschlag in die ambulante Versorgung
- Weiterentwicklungschancen für die ‚Hungrigen Mitarbeiter‘, Perspektiven aufzeigen
- Zusammenarbeit in den Bereichen: Geschäftsführung, Pflege und MTRAs, Finanzwesen und Medizincontrolling, Marketing, Technik, Einkauf, IT/ISMS Informationssicherheitssysteme, /Gemeinsame Meldekanäle, Hygiene, Qualität und Risikomanagement (Zertifizierung), Ausbildung in einer gemeinsamen, partnerschaftlichen Struktur, gemeinsame Führungskräfteentwicklungsprogramme, (Wirtschaftlichkeit, Finanzen, Skillprofile) Gemeinsame Ausfallkonzepte..
Er betont: „Wir arbeiten weiter an dem Auf- und Ausbau der ambulanten Strukturen, haben MVZ (Medizinische Versorgungszentren) aufgebaut und irgendwie müssen wir es schaffen, in unseren Netzwerken Personalengpässe zu überwinden.“
Die Managementstrategie sieht Schwerpunkte vor: In der Inneren Medizin konzentriert sich das Haus in Dortmund auf Geriatrie und Kardiologie (Koryphäe!)
Schwerpunkt Chirurgie Allgemein- und Unfallchirurgie: In Brilon verfügt das städtische Krankenhaus über das einzige Hernien Zentrum in der Umgebung. Fokussierung auf Viszeralchirurgie und der Versuch durch MVZ- Kooperation die Beziehungen in der Region zu intensivieren und stärker auch mit anderen Sektoren zu verzahnen.
Weitere Maßnahmen sind:
- Bilaterale Patientenverlegung.
- gemeinsame und standortübergreifende Nutzung von Personalressourcen im Verbund zur besseren Erfüllung der Qualitätsvorgaben,
- gemeinsame Ausfallkonzepte zur Verbesserung der Versorgungssicherheit,
- gemeinsame Personalpools für Notarztwesen,
- Entwicklung einer gemeinsamen Arbeitgebermarke, ohne gleich ein gesellschaftliches Dach zu bilden, um Fachkräfte zu finden und zu binden.
- Synergien heben im Bereich der Aus- und Fortbildung, Apotheke, Einkauf, Sterilisation, Labor, Radiologie , Speisenversorgung, Reinigung und in der Verwaltung.
- Aufbau einer gemeinsamen Kümmerer- und Managementstruktur
Große Themen gehen die Krankenhäuser gemeinsam an: Wie sieht eine gemeinsame Digitalstrategie oder Nachhaltigkeitsstrategie 2030 aus? Im größeren Kreis werden Perspektiven diskutiert. Thiemann macht sich für einen Masterplan Gesundheitswirtschaft stark, einen moderierten Prozess, bei dem handlungswillige und -fähige Kliniken, die einander vertrauen, zusammenarbeiten und die Schwerpunkte abstimmen unter Berücksichtigung des regionalen Bedarfes an medizinischen Leistungen.
„Die Entscheidungsträger müssen den Mut haben loszulassen und dabei die Belegschaft kommunikativ mitnehmen“, fordert er. Der Brückenschlag zur Hochleistungsmedizin an Uni-kliniken und Maximalversorgern sei erwünscht.
Bei kommunalen Häusern lastet der Druck auf der Geburtshilfe, die muss auf jeden Fall bleiben, auch wenn sie defizitär ist. In Grunde genommen können kleine Kliniken sehr gut ihren Beitrag leisten zur qualitativen und quantitativen Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung vor Ort. Gesundheitsparks tragen ebenso dazu bei. IN der B Bildung und Weiterentwicklung von ausgewählten Exzellenzfelder, der Weiterentwicklung des ambulanten Potenzials und der Nutzung der telemedizinischen Möglichkeiten sieht Thiemann die kommenden Herausforderungen, wobei der Ausbau der stationären und ambulanten Pflege im Umfeld nicht vergessen werden darf, denn die Menschen werden älter: sie brauchen nicht mehr die stationäre Pflege, sondern die Kurzzeitpflege.
Von Herausforderungen zu Lösungen: Wie das Stadtkrankenhaus Korbach mit Fachkräftemangel und Mitarbeiterbindung umgeht
Sassan Pur, Geschäftsführer der Hessenklinik Stadtkrankenhaus Korbach gGmbH mit 249 Betten, 7 Fachabteilungen, 11.010 voll stationären Fällen und 17.153 ambulante Fällen findet, dass fünf Träger die Zusammenarbeit schwieriger machen. Trotz des Fachkräftemangels weist das Krankenhaus in Nordhessen eine hohe Mitarbeiterbindung im Pflegebereich auf, mit vielen Angestellten, die ihr 40-jähriges Jubiläum feiern. Im Gegensatz dazu gestaltet sich die Akquise von Ärzten schwierig; die meisten neuen Ärzte kommen aus dem Ausland und müssen Herausforderungen wie Spracherwerb, Anerkennung ihrer Qualifikationen und Integration bewältigen. Das Krankenhaus investierte erheblich in die Integration und Fortbildung dieser Ärzte und unterstützt sie durch Vermittlung/Bereitstellung von Wohnungen und Kindergartenplätzen. So konnten die hoher Honorarkosten, die im vergangenen Jahr bei 1,6 Mio. Euro lagen dramatisch gesenkt werden, auch nach Gegenrechnen der Gehälter.
„Wir haben alles außer Geld“, sagt Sassan Pur. Die Mediziner schätzen den Wert von Anerkennung und Zuhören als wesentliche Faktoren und bleiben in Korbach.
Thomas Bublitz warnt: Kleine Krankenhäuser drohen zu ‚Leistungsresterampen‘ zu werden
Thomas Bublitz befürchtet, dass die kleinen Krankenhäuser eine Leistungsresterampe für defizitäre Handlungsfelder werden, die sich weder im Pflegeheim, noch beim ambulanten Operieren, noch in der Vertragsarztpraxis, noch im Krankenhaus finanziell tragen. Er fordert die Krankenhäuser in ihrer Struktur erhalten. „AOP-Zentren sind eine richtige Fließbandarbeit, sonst rechnet es sich nicht und alles, was sich nicht rechnet, wird am Ende auch nicht in der Region vorhanden sein.“
Er bezeichnet es als „ausgemachten Blödsinn, Unikliniken, Großkrankenhäusern, Level 3 und 2 Häusern, Vorhaltepauschalen zu zahlen. Viel klüger wäre es diese Vorhaltung für die kleinen bedarfsnotwendigen Versorger zu reservieren.“
Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverband Deutscher Privatkliniken e.V. sieht die Perspektive für kleine Krankenhäuser als negativ und bezweifelt, dass die Krankenkassen eine gesicherte Finanzierung gewährleisten können. Er habe Zweifel, die Versorgungssicherheit mit einer Krankenhausplanung zu weben – Wo Krankenhaus draufsteht, muss Krankenhaus drin sein – mit allen Regularien, – Personalvorgaben, Arztstellen – ohne Unterschied, ob das in Essen, in Brilon oder in Korbach stattfindet. Er befürchtet, dass die Idee des regionalen Gesundheitsversorgers (oder Level 1i Haus) nicht ernst gemeint sei, sondern eine ‚Intensivstation für sterbende und verschwindende Krankenhäuser‘.
„Ich befürchte das ist nur eine Beruhigungspille, die am Ende die Häuser nicht hinreichend finanziert, sondern mit der defizitären Finanzsituation alleine lässt.“
Bublitz fordert, dass die Krankenhausplanung von den tatsächlichen Versorgungsbedürfnissen ausgehen sollte und die Krankenhäuser vor Ort mehr finanzielle Freiheiten erhalten, um dem wachsenden Druck, wie ihn Pflegeheime bereits erleben, standhalten zu können.

Prof. Dr. Dr. Dr. Eckhard Nagel kritisiert Beharrungstendenzen
Prof. Dr. Dr. Dr. Eckhard Nagel hebt hervor, dass der Verlust von Krankenhäusern in Regionen wie Brandenburg zur Abwanderung von Fachkräften führt und dadurch lokale Perspektiven verschlechtert werden. Er kritisiert die bisherige Fokussierung auf finanzielle Aspekte und fordert eine stärkere Patientenorientierung. Erst wenn der Bedarf feststehe, seien Finanzierungsfragen relevant. Technologischer Fortschritt sollte sich auf Zentren konzentrieren, während die Gesundheitsversorgung breit aufgestellt sein müsse. Als Vorstandsvorsitzender der Gesellschaft für integrative Versorgung ist er besorgt über die Besitzstandwahrung der Interessenvertretung der jeweils in der Selbstverwaltung aktiven Strukturen. Er betont die Notwendigkeit von Kooperation über bestehende Grenzen hinweg, um eine umfassende Versorgung zu gewährleisten. Die Verantwortung dafür sieht er nicht allein bei der Politik, die lediglich die Rahmenbedingungen setzen sollte, sondern bei den Akteuren im Gesundheitssystem selbst.
