Berlin, 21.03.2024 – Gesundheitsminister Karl Lauterbach sprach auf dem DRG-Forum zur Krankenhausreform. Es gibt drei Ziele:
Entökonomisierung
Der Minister spricht sich gegen das aktuelle System der Fallpauschalen aus und plädiert für ein neues Modell. Das Ziel ist, die wirtschaftlichen Aspekte der Krankenhausversorgung zu verringern und den Fokus stärker auf die medizinische Versorgung zu legen. Krankenhäuser haben keine anderen wirtschaftlichen Bereiche, wo sie ein anderes Produkt ausrollen, eine andere Leistung bieten könnten, sondern sie finanzieren sich über die Fälle.
…“Wenn Häuser darüber philosophieren, wie viele Hüftgelenksoperationen noch stattfinden müssen bis Jahresende, dann ist das kein gutes System, das ist kein System, was wir benötigen.“
Karl Lauterbach
Die Entwicklung des neuen geplanten Finanzierungssystems sei etwas komplexer, weil Leistungsgruppen mit Qualitätskriterien für bestimmte Bereiche einbezogen werden müssen, die miteinander verschränkt sein müssen, sowie Level – und DRGs. Bei der späteren Nutzung werde es einfacher, denn die Kodierung entwickele sich im Hintergrund dieses komplexen Systems. Lauterbach unterstreicht ,dass es kein zusätzlicher Codierungsaufwand entstehen würde, sondern dass sich dieser reduziere, weil es nicht mehr die komplizierte Fehlbelegungsquote gibt. Die Prüfungen des Medizinischen Dienst werden auf das Notwendige beschränkt werden.
Entbürokratisierung
Lauterbach kritisiert den hohen administrativen Aufwand im Gesundheitswesen. Er stellt fest, dass medizinisches Personal bis zu 30 % seiner Zeit mit dem Ausfüllen von Dokumenten verbringt, was die Effizienz des Gesundheitssystems beeinträchtigt.
Qualitätsverbesserung
Der Minister betont die Notwendigkeit, vorhandene Qualitätsreserven zu nutzen und Qualitätsdefizite zu beseitigen. Er verweist darauf, dass das Gesundheitssystem nur so gut sein könne, wie seine Struktur und dass es systembedingte Qualitätsdefizite gibt. Er fordert eine Spezialisierung: „Wir haben auch nach wie vor die Sektorengrenze noch nicht überwunden. Mit den Level 1i- Kliniken werden wir einen ersten wichtigen Schritt in die richtige Richtung gehen. Wir brauchen Planbarkeit. Wenn die Häuser die 60% Vorhaltepauschale für ihre Leistungssgruppen bekommen, auch dann, wenn die Fallzahlen einbrechen, dann muss ich nicht mit jedem einzelnen Fall ringen. Ich habe dann eine Situation, wo die Häuser, die am Netz sind, die im Krankenhausplan enthalten sind, die Leistungsgruppen zugewiesen bekommen haben – und zwar ausschließlich von den Ländern. Das machen nur die Länder. Der Bund weist keinerlei Leistungsgruppen zu….. Wir beschäftigen uns damit, wie die Leistungsgruppen derzeit verteilt sind, aber wie sie nachher zugewiesen werden, das ist vollkommen den Ländern überlassen. Da hat der Bund keine Kompetenz, reklamiert keine Kompetenz.“
Lauterbach erklärt, dass das Bundesgesundheitsministerium bereits vor zwei Jahren eine Krankenhausregierungskommission beauftragt hat, einen Reformentwurf zu erstellen. Dieser wurde Ende 2022 vorgestellt, und 2023 wurden Eckpunkte beschlossen, mit Ausnahme von Bayern und einer Enthaltung Schleswig-Holsteins.

Er spricht auch das Krankenhaustransparenzgesetz an, das parallel zur Reform eingeführt wird und kurz vor der Verabschiedung steht. Dieses ist notwendig, um die Fachabteilungen auf Leistungsgruppen umzustellen. Der Grouper soll im September 2024 fertig sein. Das ist ein Software-Programm, das den Fall anhand der verschiedenen kodierten Parameter (insbesondere Hauptdiagnose, Nebendiagnosen, Operationen und/oder Prozeduren sowie Alter des Patienten) Leistungsgruppen zuordnet.
Weiterhin berichtet Lauterbach von verschiedenen Treffen und Anhörungen mit Verbänden, Kommunen und Kliniken sowie von geplanten Anhörungen mit den Ländern. Der Reformplan sieht vor, dass ab 2025 erste Pionierländer mit der Zuordnung zu neuen Leistungsgruppen beginnen, gefolgt von einer zweiten Gruppe im Jahr 2026. Eine vollständige Umsetzung ist für 2029 geplant.
Eine Änderung betrifft den Transformationsfonds, der es Krankenhäusern ermöglicht, bereits ab 2025 Förderanträge für Projekte zu stellen, die erst ab 2026 beginnen.
5 Mißverständnisse, die Lauterbach ausräumen möchte
Finanzierung durch den Bund
Es wird oft kritisiert, der Bund zahle zu wenig für die Krankenhäuser. Lauterbach widerlegt dies und betont, dass der Bund erhebliche Mittel bereitstellt, einschließlich Milliarden für Pandemiehilfen, Digitalisierung, Energieunterstützung und Pflegemindererlöse. Er hebt hervor, dass die Länder in den letzten zehn Jahren ihre finanziellen Verpflichtungen nicht vollständig erfüllt haben.
Er listet auf : „In der Pandemie haben wir (der Bund) 21 Mrd. Euro ausgegeben, um die Krankenhäuser am Netz zu halten. Das war richtig. Wir haben 3 Milliarden Euro Digitalisierungshilfen gezahlt. Es werden 5 Milliarden Euro Energiehilfen fließen. Wir haben allein 2023 und 2024 weitere 840 Mio. Euro für die Pädiatrie und die Geburtshilfe zusätzlich zur Verfügung gestellt. Wir werden in 2024 6 Milliarden Euro Pflegemindererlöse ausgleichen. Ich weiß, dass das kein frisches Geld ist. Ich weiß, dass das Liquidität ist, ich weiß, dass die Leistung schon erbracht wurde, aber trotzdem wissen auch Sie, was es bedeuten würde, wenn Sie das Geld nicht jetzt bekämen, sondern erst in Jahren. Was ohne die gesetzgeberische Reform der Fall wäre. Und wir werden darüber hinaus auch die Tarifsteigerungen, die über den Landesbasisfallwert hinausgehen, rückwirkend mit dem Krankenhausgesetz nachträglich erstatten. Ab 2025 werden wir den kompletten Orientierungswert ausgleichen, wenn der über der Veränderungsrate liegt, ein 100% Ausgleich bei der Entwicklung der Landesbasisfallwerte. Und wie gesagt, wir haben den Strukturfonds für 2025 verlängert und ab 2026 fließt dann das Geld aus dem Transformationsfond in Höhe von 50 Milliarden Euro für zehn Jahre…“
Karl Lauterbach
Erhalt kleiner Krankenhäuser
Ein weiteres Missverständnis betrifft das angebliche Ziel der Reform, kleine Krankenhäuser zu schließen. Lauterbach erklärt, dass die Reform gerade darauf abziele, kleine Häuser zu erhalten, insbesondere in ländlichen Gebieten. Die Einführung einer Vorhaltepauschale und höherer Landesbasisfallwerte soll kleinen Krankenhäusern helfen, wirtschaftlich stabil zu bleiben.
Qualitätsverbesserung und Krankenhausgröße
Es besteht die Annahme, dass die Reform nur großen Krankenhäusern und Universitätskliniken zugutekommt. Lauterbach betont jedoch, dass auch kleinere und mittelgroße spezialisierte Krankenhäuser von der Qualitätsoffensive profitieren. Die Reform zielt darauf ab, Qualität und Spezialisierung über die Größe der Einrichtung hinaus zu fördern. Er setzt hier auf Level 1i-Kliniken, die zwar keine großen Eingriffe machen, aber dafür Qualität durch menschlichen Zugang lieferten: vor Ort mit der Möglichkeit, dass die Verwandten oft kommen können.
Beziehung zwischen Bund und Ländern
Ein häufiges Missverständnis ist, dass es einen Konflikt zwischen Bund und Ländern bezüglich der Reform gibt. Lauterbach stellt klar, dass die Reform in enger Zusammenarbeit mit den Bundesländern entwickelt wurde und kein parteipolitisches Thema ist. Er hebt die kooperative Entwicklung, insbesondere mit Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen, hervor.
Praxisferne des Reformprozesses
Schließlich spricht Lauterbach das Missverständnis an, dass die Reform ohne Einbeziehung praktischer Erfahrungen und Kenntnisse des Krankenhausalltags entwickelt wurde. Er betont seine persönliche Vertrautheit mit der Krankenhauspraxis und die umfassende Beratung durch Praktiker und Wissenschaftler im Rahmen der Reformgestaltung.
Abschließend spricht Lauterbach von der Notwendigkeit dieser Reform, um den ökonomischen Druck auf die Krankenhäuser zu reduzieren und gleichzeitig die medizinische Versorgung zu verbessern. Er betont, dass die aktuelle Anzahl von Krankenhäusern in Deutschland nicht aufrechtzuerhalten ist, insbesondere angesichts des Personalmangels in der Pflege und bei Ärzten. Die Reform sei unerlässlich, um eine hochwertige Versorgung zu gewährleisten.