Einige Initiativen sollen die Modernisierung der Krankenhäuser vorantreiben, wie der Health innovation Hub, Hackathons und das KHZG (Krankenhauszukunftsgesetz), über das Bund und Länder 4,3 Milliarden Euro Förderungen ausschütten, die seit dem 1. Januar 2021 über den Krankenhauszukunftsfonds (KHZF) bereitgestellt werden. Der Bund steuerte 3 Milliarden Euro bei, die Länder tragen 1,3 Milliarden Euro.
Dieses Fördervolumen, das von Kliniken fast vollständig beantragt wurde, war der Kick-Off für viele Initiativen, neue Produkte und Dienstleistungen, die Krankenhäuser digitaler und vernetzter machen. Ende 2024 müssen die Kliniken zumindest die Umsetzung beauftragt haben, um nicht Strafen zu riskieren.
Was ist aus der Idee der Digitalisierung des Gesundheitswesens und ihrer Umsetzung geworden?
Dieser Frage ging die Digital Health & Care Konferenz am 14. März 2024 in Fürth nach. Veranstalter war die SRH Wilhelm Löhe Hochschule.

Cyberangriff auf die IT-Infrastruktur der Bezirkskliniken Mittelfranken
Gleich in der Eröffnungsrede ging Michael Maderer, Bezirksrat Mittelfranken, auf die Vorteile von althergebrachten Faxgeräten ein. Ende Januar 2024 gelang es Hackern, das IT-System der Bezirkskliniken Mittelfranken zu kompromittieren und Zugriff auf interne sowie personenbezogene Daten zu erlangen. Die Neukonfigurierung aller Serversysteme und Endgeräte läuft parallel zur Analyse des Cyberangriffs und wird voraussichtlich bis zu einem halben Jahr dauern. So lange sind die Fax-Geräte im Einsatz.
Gemäß einer Warnung vor Cyberangriffen und einem Anstieg krimineller Kleingruppen mussten die Kliniken offline gehen. Betroffen waren die Kliniken in Ansbach, Engelthal und das Klinikum am Europakanal in Erlangen. Als Reaktion darauf wurden sämtliche Systeme der drei Krankenhäuser vom Netz genommen, und sie wurden von der Notfallversorgung abgemeldet.
Panel-Talk: Zwischen Vision und Realität – Wo stehen wir beim Einsatz digitaler Innovationen für eine vernetzte Gesundheit?
In dem Panel-Talk, der von Dr. Jörg Traub, Leiter des Innovationsnetzwerks Gesundheit der Bayern Innovativ GmbH, moderiert wurde, beteiligten sich die Bayerische Gesundheitsministerin Judith Gerlach, Dr. Ute Wiedemann (Mitglied des Vorstandes der DAK-Gesundheit), Manuela Füller (Vorständin bei Diakoneo Dienste für Menschen – Angebote für Seniorinnen und für Menschen mit Behinderung), Prof. Dr. Dr. Elmar Nass- (Inhaber des Lehrstuhls für Christliche Sozialwissenschaften und gesellschaftlichen Dialog an der Kölner Hochschule für Katholische Theologie, Prorektor) und Andreas Lange, Geschäftsbereichsleiter Digitalisierung und Innovation der Kliniken Südostbayern Ag und Projektleiter der Klinik IT Genossenschaft. Im Publikum diskutierte Roland Engehausen, Geschäftsführer der bayerischen Krankenhausgesellschaft und Sprecher für Digitalisierung der Krankenhäuser in Bayern und Deutschland bei der Gematik, der nationalen Agentur für Digitale Medizin.
Aussagen und Perspektiven:
- Die Quintessenz von Judith Gerlachs Aussage ist, dass es wichtig ist, sowohl kleine als auch grundlegende Dinge anzugehen, um im Gesundheitswesen Fortschritte zu erzielen. Sie betont die Bedeutung von digitalen Lösungen, um bürokratische Abläufe effizienter zu gestalten und Krankheiten frühzeitig zu erkennen. Dabei ist es entscheidend, die Digitalisierung gut auszutarieren und zu kommunizieren, um Vertrauen zu schaffen und Bedenken bezüglich des Datenschutzes zu adressieren. Des Weiteren unterstreicht die bayerische Gesundheitsministerin die Notwendigkeit, den Fokus stärker auf Prävention zu legen und das Gesundheitssystem nicht nur auf die Behandlung von Krankheiten, sondern auch auf die Förderung von Gesundheit auszurichten. Durch die Digitalisierung können verschiedene Bereiche miteinander verschmelzen und ein ganzheitlicher Ansatz gefördert werden. Zusätzlich spricht Gerlach die Bedeutung einer Überprüfung und Anpassung bestehender Prozesse an, um den Einsatz digitaler Lösungen sinnvoll zu gestalten und den Arbeitsaufwand für das Pflegepersonal zu verringern. Es gilt, die eigenen Prozesse zu hinterfragen und anzupassen, um den maximalen Nutzen aus digitalen Systemen zu ziehen. Judith Gerlach betont, dass die Diskussion über Künstliche Intelligenz (KI) in Deutschland und Europa noch immer von Vorsicht und Regulierungen geprägt ist. Es besteht die Besorgnis, dass die menschliche Entscheidungsfreiheit eingeschränkt werden könnte. Europa tendiere dazu, Innovationen durch strenge Regulierungen einzuschränken, was jedoch als falsch angesehen wird. KI wird als wesentlicher Bestandteil der Zukunft betrachtet, „unabhängig davon, ob wir es wollen oder nicht.“ Statt sich abzuschotten und zu warten bis Innovationen aus dem asiatischen und amerikanischen Bereich kommen, die dann eben nicht unsere Regeln einhalten aber trotzdem von uns genutzt werden, sollte Europa offen für Innovationen sein und eine ausgewogene Regulierungspolitik verfolgen. Es wird betont, dass Bürokratieabbau und Einsparungsmaßnahmen nur erfolgreich sind, wenn sie in einen sinnvollen digitalen Workflow integriert sind, sonst bleiben es lediglich isolierte Lösungen.
- Dr. Ute Wiedemann hebt hervor, dass bereits Fortschritte erzielt wurden, wie die Umsetzung des E-Rezepts und des Versichertendatenmanagements. Bis Anfang 2025 soll auch die Einbindung der Patientendaten in die elektronische Patientenakte erfolgen. Ein Nebeneffekt der gut eingeführten eAU (elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung) sei es, dass Gesundheitsberichte den Eindruck vermitteln, dass die Menschen heute kränker sind, insbesondere aufgrund der verstärkten Dokumentation psychischer Erkrankungen. „Das liegt auch daran, dass jetzt die Zettel abgegeben werden, besonders bei den psychischen Erkrankungen.“
- Manuela Füller findet es wichtig, Prozesse der Digitalisierung neu zu denken und nicht einfach bestehende Lösungen aufzuzwingen. Sie betont die Bedeutung einer individuellen Anpassung von digitalen Innovationen an die Bedürfnisse und Fähigkeiten der Nutzer vor Ort, insbesondere im Bereich der Rehabilitation und für Menschen mit Behinderungen. Füller fordert, dass auch diese Gruppen Zugang zu den Vorteilen der Digitalisierung erhalten und Lösungen entwickelt werden, die ihre spezifischen Bedürfnisse berücksichtigen. Zusätzlich setzt sich Füller für die Stärkung der Pflege im ländlichen Bereich ein, insbesondere durch die Einführung von Community Nurses und die Nutzung von Telemedizin. Sie betont die Notwendigkeit, Pflegeeinrichtungen und Ressourcen besser zu nutzen, um die Versorgung älterer Menschen und anderer bedürftiger Gruppen zu verbessern.
- Der Wirtschaftsethiker Elmar Nass betont, sowohl die Chancen als auch die Risiken neuer Technologien im Gesundheitswesen zu betrachten. Er betont, dass verbesserte Diagnose- und Therapiemöglichkeiten sowie der Einsatz von künstlicher Intelligenz und Robotik zwar Vorteile bieten, aber auch Auswirkungen auf unser Menschenbild und unser Zusammenleben haben können. Nass fordert eine kritische Auseinandersetzung mit dem Einsatz neuer Technologien, insbesondere im Hinblick auf das Verständnis von Menschenwürde, Umgang mit Trauer und Endlichkeit sowie die Bedeutung menschlicher Kontakte. Er warnt davor, dass Technologie zwar hilfreich sein kann, aber nicht unsere menschlichen Beziehungen und unser Zusammenleben bestimmen sollte. Letztendlich sollte der Mensch die Kontrolle über die Technologie behalten und nicht umgekehrt.
- Andreas Lange unterstreicht, dass das Gesundheitswesen bereits stark digitalisiert ist, jedoch noch Potenzial für Verbesserungen besteht. Er hebt die Bedeutung einer patientenzentrierten Perspektive hervor und betont die Notwendigkeit, über isolierte Lösungen hinauszudenken. Lange erwähnt die Initiative mein-krankenhaus.bayern, die ein gemeinsames Patientenportal für zahlreiche Krankenhäuser entwickelt, um die Vernetzung und den Informationsaustausch zwischen den Kliniken zu fördern. „Wir sind in Bayern jetzt einen kleinen Schritt gegangen mit der Initiative mein-krankenhaus.bayern. Wir entwickeln ein gemeinsames Patientenportal für 110 Krankenhäuser, 26000 Betten. Das ist der zweitgrößte Health-IT-verbund, der im Moment in Deutschland gerade entsteht. Wir versorgen 1,5 Millionen stationäre Patienten pro Jahr und wir möchten nicht nur in unseren Patienten Daten zur Verfügung stellen, sie nicht nur in den Behandlungsprozess anbinden, sondern auch zwischen den Kliniken arbeiten. Was mich momentan sehr freut ist, dass die Kommunikation, zum Beispiel mit der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern oder der BITMARCK, (Erläuterung der Redaktion: die Entwicklung innovativer Software-Lösungen für die gesetzliche Krankenversicherung) sehr positiv angenommen werden und vielleicht die Chance schaffen, die Sektoren und die Leistungserbringer zu vernetzen.“
- Roland Engehausen sieht das primäre Ziel in der Überwindung der Sektorengrenzen und der Förderung einer engen Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Bereichen des Gesundheitswesens. Er betont die Bedeutung der Digitalisierung und der intersektoralen Vernetzung von Strukturen, um eine effiziente und patientenorientierte Versorgung sicherzustellen. Engehausen hebt auch die Fortschritte hervor, die in Bezug auf die Digitalisierung im Gesundheitswesen bereits erreicht wurden, bekräftigt jedoch die Notwendigkeit weiterer Maßnahmen, insbesondere im Hinblick auf die elektronische Patientenakte (EPA) und die Integration verschiedener Systeme im Rettungsdienst.
Elevator-Pitches und Sessions
Schließlich konnte man sich von Elevator-Pitches von fünf Startups überzeugen lassen mit einem Impulsbeitrag von Dr. Kurt Höller, Managing Director
EIT Health Germany-Switzerland CLC GmbH. Bei diversen sich anschließenden Sessions gab es die Wahl zwischen Recht/DiGA; Medizin; Pflege; Digitale Teilhabe, Robotik, Psychologie/Soziale Arbeit, Digitalisierung, Rettung/Medizin, KI-Analyse & Patientensupport und Ethik. Das Get-Together und Networking hatte ich schon den ganzen Tag lang genossen, bin also relativ pünktlich um 17 Uhr gegangen.
Fazit
Alles in allem sind die meisten Gesundheitseinrichtungen gut aufgestellt oder zumindest auf dem richtigen Weg. Matthias Langen, Referent des Vorstandes am Klinikum Fürth, erläuterte auf die Frage, wie die Projekte aus dem Förderkatalog des KHZG gewählt wurden, dass die Anforderungskriterien ganz genau im Leistungsverzeichnis integriert seien: „Wir haben uns hier externe Unterstützung von einem Fachplaner geholt, weil wir intern die Expertise nicht hatten – um die Effizienzpunkte zu berücksichtigen. Wir haben uns Zeit genommen für die Anforderungsanalyse. Es war uns wichtig, dass wir da nicht einen Fehlgriff haben.“